Um Nick Drake, einem genialen britischen Singer-Songwriter der späten 60er und frühen 70er Jahre ranken sich Mythen. Ein stiller, introvertierter Einzelgänger soll er gewesen sein, dem die Depressionen leider ein viel zu frühes Lebensende bescherten. Filmaufnahmen existieren keine, keine Interviews oder Tagebücher – nur Erinnerungen von Freunden, Bekannten und seiner Familie. Rund 30 wunderbare Songs schrieb er mit Anfang zwanzig, die trotz seinerzeit ausgebliebenem kommerziellen Erfolg auf drei bzw. vier Alben veröffentlicht wurden – dank des Produzenten Joe Boyd, der nie aufhörte, an ihn zu glauben. Die sehr ruhige, melancholische Musik passte nur schlecht in die Flower-Power-Zeit, in der schillernde Stars wie Jimi Hendrix oder Cat Stevens Heerscharen von Fans anzogen. So teilt Nick Drake das Schicksal der Künstler, die erst nach ihrem Tod eine gewisse Berühmtheit – oder besser – ehrwürdige Beachtung erlangten.
Also zog es mich als Fan, wie viele vor mir und wohl noch nach mir, an den Ort, an dem Nick Drake aufwuchs und unverhofft im elterlichen Zuhause mit nur 26 Jahren verstarb, nach Tanworth-in-Arden in der Nähe von Birmingham. Ein kleines Dorf inmitten einer romantisch-hügeligen Landschaft. Ich besuchte das unscheinbare Familiengrab — den Grabstein mit der Inschrift auf der Rückseite (eine Zeile aus einem Songtext), ließ eine weiße Rose dort und ging am Elternhaus vorbei. Eine Unternehmung, die mich unverhofft tief berührte, aber wenn man sich intensiver mit der Geschichte eines Künstlers auseinandergesetzt hat, bleiben Gefühle an Orten, von denen dessen Biografie erzählt, wohl nicht aus.